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News und ArtikelHaftung beim Einsatz von Arbeitnehmern ohne Staplerschein

31. März 2020

Haftung beim Einsatz von Arbeitnehmern ohne Staplerscheinen

Aufgrund der Automatisierung kommen vermehrt Stapler nicht nur in Industriebetrieben, sondern auch in Klein- und Mittelbetrieben in vielfältiger Weise zum Einsatz. Bei der Benützung von Staplern sind Rechtsvorschriften verschiedener Materien zu berücksichtigen. Im Folgenden werden Fragen zur Haftung des Unternehmers beim Einsatz von Arbeitnehmern zum Führen von Staplern ohne Vorliegen der Berechtigung durch einen Staplerschein behandelt.

Einleitung

Hubstapler sind mit Gabeln, Plattformen und anderen Lastaufnahmemitteln ausgerüstete selbstfahrende Arbeitsmittel mit Hubmast, die dazu bestimmt sind, Lasten zu heben, sie an einem anderen Ort zu verbringen, dort abzusetzen, zu stapeln, in Regale einzubringen oder um sonstige Manipulationstätigkeiten mit Lasten durchzuführen (§ 2 Abs. 9 AM-VO). Zum Führen von Hubstaplern dürfen nur solche Arbeitnehmer eingesetzt werden, die eine entsprechende Fachkenntnis durch Zeugnis nachweisen (§ 2 Z 1 lit b FK-V). Weiters bedarf das Führen eines Hubstaplers einer Fahrbewilligung, die vom Dienstgeber nach Unterweisung über den Inhalt der Betriebsanweisung erteilt werden darf.

Verwaltungsrechtliche Haftung

Zu Arbeiten, die mit einer besonderen Gefahr für die damit Beschäftigten oder andere Arbeitnehmer verbunden sind, dürfen nur Arbeitnehmer herangezogen werden, die geistig und körperlich geeignet sind, über einen Nachweis der erforderlichen Fachkenntnis verfügen und über die erforderliche Berufserfahrung verfügen (§ 62 Abs. 1 ASchG sowie § 62b Abs. 1 B-BSG). Werden Arbeitnehmer mit derartigen Arbeiten beschäftigt, obwohl sie die zur deren Durchführung erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllen, begeht der Dienstgeber eine Verwaltungsübertretung (§ 130 Abs. 1 Z 20 ASchG). Eine solche Verwaltungsübertretung ist mit einer Geldstrafe von € 166 bis € 8.324, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von € 333 bis € 16.659 zu bestrafen. Vom Dienstgeber wird gefordert, dass er ein wirksames Kontrollsystem einrichtet, durch das Verwaltungsübertretungen im Unternehmen verhindert werden. Die Einrichtung eines entsprechenden Kontrollsystems kann zu einer Befreiung von verwaltungsstrafrechtlicher Verantwortung führen. Ein derartiges Kontrollsystem setzt voraus, dass in systematischer Weise möglichen Verstöße nachgegangen wird, diese Verstöße dokumentiert werden und zu entsprechenden Konsequenzen führen, sodass die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften gewährleistet ist.[1] Ereignet sich zB ein Unfall, bei dem der Mitarbeiter trotz Unterweisung und zur Kenntnisbringung der Betriebsanleitung einen Sicherheitsgurt nicht anlegte und dadurch verletzt wurde, hat der Dienstgeber eine Übertretung des ASchG zu verantworten, wenn kein wirksames Kontrollsystem etabliert wurde.[2] Der Dienstgeber hat durch die Einrichtung eines solchen Kontrollsystems dafür Sorge zu tragen, dass keine Arbeitnehmer ohne Staplerschein eingesetzt werden.

Strafrechtliche Haftung

Werden zum Führen von Hubstaplern Arbeitnehmer eingesetzt werden, die über die erforderliche Fachkenntnis nicht verfügen, stellt dies eine den Dienstgeber persönlich treffende Sorgfaltswidrigkeit dar. Wird durch diesen Arbeitnehmer ein Dritter verletzt, kann neben dem – den Unfall verursachenden – Arbeitnehmer auch der Dienstgeber strafrechtlich belangt werden. Im Zusammenhang mit einem Unfall beim Lenken eines PKW ohne Führerschein wurde der Dienstgeber strafrechtlich für die, durch den ungeeigneten (jugendlichen) Kraftfahrzeuglenker fahrlässig verschuldete Tötung eines Dritten verurteilt.[3]

Zivilrechtliche Haftung

Bei einem Unfall ist der Dienstgeber dem versicherten Arbeitnehmer lediglich dann zum Ersatz verpflichtet, wenn die Verletzung am Körper in Folge eines Arbeitsunfalles entstanden ist und wenn er den Arbeitsunfall vorsätzlich verursacht hat (§ 333 Abs. 1 ASVG). Dies ist regelmäßig nicht der Fall und daher haftet der Sozialversicherungsträger. Seinerseits besteht jedoch ein Regressanspruch, wenn der Arbeitsunfall vom Dienstgeber grob fahrlässig oder vorsätzlich verursacht wurden (§ 334 Abs. 1 ASVG). Dieses Dienstgeberhaftpflichtprivileg gilt nicht nur für den Dienstgeber, sondern auch für den sogenannten Aufseher im Betrieb. Dieser Begriff ist im Gesetz nicht definiert, nach der Judikatur ist ein Aufseher im Betrieb jeder, der für das Zusammenwirken mehrerer Betriebsangehöriger zu sorgen hat und dafür verantwortlich ist, der andere Betriebsangehörige überwacht, den ganzen Arbeitsgang leitet, der damit einen gewissen Pflichtenkreis und eine mit Selbstständigkeit verbundenen Stellung inne hat.[4] Die Funktion des Aufsehers ist bereits dann gegeben, wenn ein Staplerfahrer einem anderen, der ihm bei seiner Tätigkeit hilft, Weisungen erteilt.[5] Im Falle des Regresses haften der Dienstgeber sowie der Aufseher für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz.

Eine grobe Fahrlässigkeit ist dann gegeben, wenn eine außergewöhnliche und auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht vorliegt und ein besonders schwerer Sorgfaltsverstoß auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist. Das Vorliegen einer groben Fahrlässigkeit wurde verneint, wenn der Staplerfahrer durch eine morgendliche Sicherheitskontrolle den Bestimmungen der AM-VO entsprechend durchführte, in weiterer Folge nachdem der Stapler eine Stunde unbeaufsichtigt war, anstelle der neuerlichen Überprüfung entsprechend der AM-VO lediglich durch Sichtkontrolle durchführte.[6] Wird ein Staplerfahrer eingesetzt, der über keinen Staplerschein verfügt, stellt dies einen Verstoß gegen eine Schutznorm dar. Der Schädiger haftet nur dann nicht, wenn der Schaden auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre, d.h. wenn der Staplerfahrer trotz Fehlen der formalen Berechtigung über die erforderlichen Fachkenntnisse tatsächlich verfügt.[7] Den Nachweis, dass der Schaden auch bei vorschriftsmäßigem Verhalten eingetreten wäre, hat der Schädiger, sohin der Staplerfahrer und der Dienstgeber zu erbringen. Die grobe Fahrlässigkeit muss im Hinblick auf die Verletzung des Arbeitnehmerschutzes, nicht hingegen hinsichtlich der Herbeiführung des Unfalls gegeben sein. Es ist daher zu beurteilen, ob die Verletzung bestimmter Arbeitnehmerschutzvorschriften grob fahrlässig erfolgte.[8] Die grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer zum Führen eines Staplers eingesetzt wird, der nicht über den Nachweis der erforderlichen Fachkenntnis in Form eines Staplerscheins verfügt.

Die Haftung gegenüber geschädigten Dritten richtet sich nach den allgemeinen zivilrechtlichen Haftungsbestimmungen. Wenn auch andere Personen als Arbeitnehmer befugtermaßen in den von der Tätigkeit eines Staplers ausgehenden Gefahrenbereich gelangen können, erstrecken sich die Schutznormen des ASchG auf diese Personen, dazu zählt auch die über den Nachweis der Fachkenntnis zum Führen eines Staplers. Befugtermaßen in den Gefahrenbereich gelangen können zB Mitarbeiter von Frachtführern, Lieferanten und Kunden des Unternehmers.

Zusammenfassung

Der Unternehmer darf zum Führen von Hubstaplern nur Arbeitnehmer einsetzen, die eine entsprechende Fachkenntnis durch einen Staplerschein nachweisen. Werden Arbeitnehmer ohne Staplerschein zum Führen von Staplern eingesetzt, begeht der Unternehmer eine Verwaltungsübertretung. Wird hierdurch jemand am Körper verletzt, kann der Unternehmer strafrechtlich und zivilrechtlich belangt werden.


[1] VwGH 2008/03/0176; Storr/Heiztmann, Haftung für Organisationsverschulden – das unerreichbare Kontrollsystem? ZVG 2017, 177.

[2] VwGH Ra 2015/02/0179 = ARD 6485/9/2016.

[3] RS0050611, OGH 11Os52/88.

[4] Zum Aufseher im Betrieb vgl zB OGH 4 Ob 89/81, DRdA 1982, 130; OGH 4 Ob 51/84, DRdA 1986; OGH 4 Ob 93/84, DRdA 1987, 62; OGH 9 ObA 141/08p, DRdA 2011, 263 = ASoK 2009, 474; Reischauer, Mitnahme von anderen Dienstnehmern im eigenen Pkw, in FS Strasser (1983), 198 ff; Prodil, Sozialversicherungs- und Haftpflichtregress, ZVR 2011/268, 476; OGH 9 ObA 108/06g, ARD 5741./3/2007; OGH 2 Ob 61/07w, ARD 5844/9/2008.

[5] OLG Linz 12 RA 34/14b, ARD 6418/11/2017.

[6] OLG Linz 12 RA 6/13h, ARD 6340/6/2013.

[7] OGH 2 Ob 174/05k, ARD 5675/6/2006.

[8] RS0106718, OGH 10ObS96/18t.

Dr. Johann Grasch und Dr. Christian Krachler sind Anwälte in Leibnitz.

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